Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten

So, mittlerweile sind wir in der vierten Woche mit relativ strikten Ausgangsbeschränkungen und ohne Schule. Während ich irgendwie das Gefühl habe, das vermutlich maßgeblich durch Nachrichten und Online-Medien geprägt wird, dass es vielen Leuten gerade nicht so gut geht, dass sie sich gestresst und belastet fühlen und angstvoll in die Zukunft schauen, muss ich sagen, dass ich mit diesem Leben nicht wirklich ein Problem habe. Mein größtes Problem könnte gerade sein, dass ich unsicher bin, ob die Sonnencreme über das Osterwochenende reicht. Ansonsten dürfte das gerade eine der wenigen Phasen sein, in denen es sich (für mich persönlich) lohnt, beim Staat beschäftigt zu sein. Mein Gehalt kommt unverändert und ganz sicher am letzten des Monats. Und wenn nicht? Auch egal. Da ist nichts, worum ich mir sorgen machen müsste. Auch das Referendariat wird sich so oder so weiter entwickeln und weiterlaufen. Was sich genau ändern wird, kann ich eh nicht beeinflussen, also ist es mir einfach egal und ich verschwende keine Gedanken daran. Spannender ist gerade die Frage, wie ich das Antragsformular auf Übernahme in den Staatsdienst ausfülle. Aber naja, darüber kann ich mir ja über die Ostertage noch Gedanken machen.
Ansonsten genieße ich meinen Balkon. Dank einem wunderbaren Hochzeitsgeschenk hängt dort jetzt auch phasenweise eine Hängematte. Das führt insgesamt dazu, dass ich wohl dieses Jahr an Ostern mehr Farben bekomme, als wenn ich irgendwie auf Reisen sein könnte 🙂 Abgesehen davon, dass man nicht zur Schule gehen konnte, ändert sich aktuell nur mäßig viel in meinem Leben. Da auswärts Essen sowieso nicht meine Lieblingsbeschäftigung ist, läuft das Kochen einfach wie bisher unverändert weiter. Und an Hamsterkäufen muss man sich echt nicht beteiligen – die Schränke sind eh irgendwie voll genug und vielleicht ist das ja eine gute Gelegenheit das ein oder andere mal aufzubrauchen. Arbeit habe ich darüber hinaus auch immer genug. Homeschooling benötigt meist mindestens genau so viel Zeit wie Präsenzschule. Und für meinen Nebenjob kann ich eh immer arbeiten, das ändert sich nicht.
Insgesamt finde ich die Zeit gerade dennoch sehr spannend. Weniger weil Mathematik und Exponentialfunktionen gerade überall Thema sind, sondern viel mehr aus soziologischen, ethisch-moralischen und juristischen Blickwinkeln. Klar, was das alles für Schule und Lernen bedeutet, interessiert mich auch, besonders was soziale Unterschiede usw. angeht, aber darüber mag ich hier nicht schreiben, dass ist zu viel dienstlich ud zu wenig persönlich. Soziologisch scheinen ja gerade ganz viele Leute ganz viel Zeit zu haben. So viele Kettenbriefe haben mich praktisch noch nie erreicht. Hamsterkäufe finde ich soziologisch auch hoch spannend. Überlegen die Leute eigentlich, wie lange ihnen das Klopapier und die Nudeln jetzt reichen? 2020 dürfte bei einigen sicher abgedeckt sein. Alle drei Bereiche trifft irgendwie das Thema Maskenpflicht. Sinnvoll? Kaum Sinnvoll? Gängelung? Normal? Pflicht? Freiwillig? Ganz ehrlich, ich finde es irgendwie strange. Aber das liegt vielleicht auch an der Frage, für wie gefährlich man den Virus hält und für wie wichtig man das Leben an sich einordnet. Bei einer, aufgrund der Falldunkelziffer vermutlich noch deutlich überschätzten, Sterblichkeitsrate von unter einem Prozent sehe ich jetzt nichts, was mich da zu sehr beunruhigen sollte. Klar bleibt ein Risiko, aber das gehört eben zum Leben dazu und für manche Dinge bin ich eben auch bereit ein gewisses Risiko zu tragen. Aber klar, dass muss jeder für sich selbst irgendwie abwägen. Juristisch besonders spannend finde ich die praktische völlige Einschränkung von politischen Kundgebungen und Gottesdiensten. Klar kann man diese Grundrechte einschränken, aber darf dies so radikal sein, wie aktuell? Ich persönlich bin der Meinung, dies geht zu weit und die Regelungen und Verbote sind nicht mehr verhältnismäßig. Ich darf im Baumarkt Blumen kaufen, aber es soll nicht möglich sein eine Demo anzumelden und zurchzuführen, selbst unter Einhaltung eines Abstandes und z.B. mit Maskenpflicht? Kann ich nicht nachvollziehen. 40000 Erntehelfer dürfen aus Rumänien (und praktisch keinen Schutzbedingungen und ohne Abstand) einreisen, aber selbst eine Motorrad-Demo wird untersagt? Oder eine Demo, bei der 1,5 Meter Abstände auf dem Boden markiert wurden? Hier werden meiner Meinung nach falsche Prioritäten gesetzt, die nicht ungefährlich für eine Demokratie sein können. Wenn ich irgendwann einen Staatsstreich planen sollten (nur Spaß!), dann würde ich auf jeden Fall das Infektionsschutzgesetz ausnutzen – vor allem da vieles mit Erlässen angeordnet wird und nicht mit Gesetzen, also am Parlament vorbei. Übrigens wird hier auch deutlich, wie schlecht unser Parlament auf so eine Krise vorbereitet ist. Hier könnte man jetzt viele spannende Gedankenspiele anschließen: Was passiert, wenn direkt die nächste gefährliche Pandemie auftritt? Wie lange können elementare Grundrechte ausgesetzt werden? Wie lange akzeptieren die Menschen strikte Ausgangsbeschränkungen? Ab wann kommt der Punkt, wo viele diese als zu streng ansehen? Ach, hierüber könnte man Stunden diskutieren. Manchmal wäre ich gerne Ethik-Lehrer 🙂
Aber genug der Fiktion, zurück in die Realität: Ich bin gerade ziemlich entspannt, habe gute Laune und genug Kaffee – es kann also nichts schief gehen. Motto: Kein Stress machen, locker bleiben und die schönen Dinge im Leben genießen. Und auch Videokonferenzen können ziemlich nett und lustig sein. Übrigens verrückt, dass man sowas erst nutzt, wenn man es im Alltag eh ständig nutzt. Die Woche gab es eine Videokonferenz mit meinen quer durch Deutschland verteilten Abi-Leuten. Sehr lustig, aber verrückt, dass wir das vorher noch nicht gemacht haben.